Neumünster bekommt einen Platz der Kinderrechte – für Bettina Boxberger und Annika Rathge ein Anlass zum Nachdenken
Neumünster Als 62. Gemeinde bekommt Neumünster einen Platz der Kinderrechte. Ministerpräsident Daniel Günther wird ihn an diesem Freitag um 16 Uhr eröffnen. Initiiert wurde das Vorhaben, das seinen Platz im Pavillon „Kreatives Forum“ findet, vom Kinderschutzbund in Kooperation mit dem Jugendverband Neumünster.
Bettina Boxberger (58), Vorsitzende des Kinderschutzbundes in Neumünster, und Annika Rathge, Fachliche Leitung im Familienzentrum, erläutern, warum es einen Platz der Kinderrechte im Zentrum von Neumünster braucht.
Man kann sich unter Kinderrechten viel vorstellen. Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte?
Boxberger: Es geht um die Grundrechte der Kinder und darum, wichtig zu sagen, das Kind ist nicht der kleine Erwachsene, sondern das Kind. Vieles scheint selbstverständlich, doch wir müssen manche Rechte aktiv benennen, weil sie nicht mehr selbstverständlich gelebt werden – etwa die Ernährung. Das Recht auf Unversehrtheit geht sehr weit, betrifft körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt. Wichtig ist auch das Recht auf Fürsorge, Spiel und Freizeit.
Rathge: Auch ein Recht auf Ruhe wird im Moment viel vergessen. Kinder haben oft einen vollen Plan auch nach der Schule und gar keine Zeit für Langeweile und um sich auszuruhen.
Und darum braucht es den Platz der Kinderrechte im Zentrum von Neumünster?
Boxberger: Genau. Der Ort, auf dem Großeltern und Enkel mitten in der Gesellschaft ist Programm.
Rathge: Es geht ja um die Sensibilisierung der Gesellschaft. Der Platz soll präsent ist, fassbare Momente schaffen – auch kinderlose – einladen, über Kinderrechte nachzudenken.
Geht es nur darum, Kinder zu beschützen?
Boxberger: Nein. Wir wollen sie nicht vor der Welt nur beschützen, sondern sie stärken. Sie sollen in die Verantwortung wachsen. Sie sollen lernen, Rechte zu formulieren, zu leben, umzusetzen und darum auch für Rechte zu kämpfen. Und zwar auf demokratischem Weg. Das geht früh los. Die Kinder bilden die Gesellschaft von morgen. Daran haben wir alle ein Interesse.
Hat sich da etwas im Vergleich zu früher verschlechtert?
Boxberger: Es ist in der Familie gelebt worden. Die Familie war früher die Keimzelle der Gesellschaft, und davon können wir nicht mehr ausgehen. Kinder sind zehn Stunden außer Haus, länger als viele Arbeitnehmer. Da ist die Gesellschaft anders gefordert als früher. Damals waren sie fünf Stunden außer Haus und haben dann Kernfamilie erlebt – und auch da im besten Fall Gemeinschaft und Demokratie und Partizipation erlebt. Heute sind sie oft viel selbstverständlicher gelenkt.
Und das ist ein Problem in der gesamten Gesellschaft?
Rathge: Ja. Wir erleben auch die Widersprüchlichkeit: Kinder, die nach zehn Stunden Schule zum Ballett, zum Schwimmen und zum Inklusionszirkus müssen. Da machen wir auch ein großes Fragezeichen bei der offenen Frühsorge, Begegnung, Ruhe und so weiter. Ein Kind muss nicht mehr wissen und mehr hören als eine Hüpfburg.
Der Soziologe und Bestsellerautor Aladin El-Mafaalani sagte vor Kurzem in Neumünster, dass Kinder und Jugendliche politisch und gesellschaftlich übersehen werden. Im Bundestagswahlkampf spielten Familie und Bildung kaum eine Rolle. Wie sehen Sie das?
Boxberger: Das eine geht nicht ohne das andere. Ohne Wirtschaft geht nichts. Nur ein starker Staat kann auch schützen. Andererseits geht ohne Kinder und Familie nichts. Es muss ein gemeinsames, ein Die-Priorisierung fällt uns immer schwer. Nicht die ganze Arbeit zum Platz der Kinderrechte wird von der Wirtschaft bezahlt.
Rathge: Wo bekommen wir den Ort, dass der mitreißend Ort, wächst toll ist. Aber sonst macht das alles nur eine Sponsorentätigkeit – und das ist die Wirtschaft. Die Wirtschaft aber wiederum braucht auch unsere starken Kinder. Migration, Wirtschaft, Klimapolitik gehört auf eine Ebene mit Bildung und Familie. Deswegen ist uns nie egal, wenn der Ministerpräsident an diesem Freitag zur Eröffnung kommt.